Der Freischütz auf der Seebühne Bregenz - Ein Lobgesang auf das Behagen

Veröffentlicht am 23. Juli 2025 um 11:28

Carl Maria von Weber gibt in der 1821 uraufgeführten Oper eine Begebenheit zu bedenken, die Liebe von Max und Agathe, die in ihrem Ursprung einfach und natürlich ist. Doch diese Liebe kommt nicht so recht zur Entfaltung, sie ist Einflüssen ausgesetzt, die von einer Kraft sind, die den verderbenden Keim in sich tragen, das Gefühl der Liebe zu zerstören, beide, Max und Agathe in einen Abgrund zu stürzen.

Die Bregenzer Seebühnen-Regie ist an einer Durchdringung, einer Behandlung des in der Oper angelegten Themas nicht gelegen. Sie schafft hingegen eine neue Erzählung durch das Einsetzen zweier Figuren, die das Stück nicht kennt, die des Teufels und die eines Ännchens, das als Feministin nichts von der ursprünglich angelegten Namenspatronin verkörpert, ein gedachtes Anti-Ännchen als deren genaues Gegenteil. Die beiden frei erfundenen Figuren agieren vor allem als Erklärer und Erzähler, eine Position, die dem Libretto ebenfalls fremd ist, und geben dem Bühnengeschehen eine Deutung, die eingebettet in ein spektakulär, wenn nicht gar bombastisch zu nennendes Bühnenbild nun in allem den bekannten zeitgeistlichen Grundsätzen zu folgen vermag, sie zur Anschauung bringt aber ganz im Rahmen gebräuchlichster Unterhaltung, Standards, die längst alles Spektakuläre, Aufrührerische verloren haben, längst das Ansehen etablierter Klischees angenommen haben, die immer wieder gern gebraucht, immer wieder gern gesehen werden, unabhängig davon, ob sie auch nur irgendwie passen, ja sich einer großen Beliebtheit erfreuen, da sich wie in Bregenz  ein Verbraucher von Kultur sich sicher sein kann, dass er in einer geschützten Gedankenwelt genießen kann, er wohlgemut, geradezu blind, darauf vertrauen darf, dass ihn nichts aufrührt, Unbekanntes, ihm misslich Erscheinendes das Behagen an der gewohnten Sicht der Dinge nicht behelligt, gar eine seiner Gewissheiten in Frage stellt.  

So insistiert das feministische Ännchen standhaft, bis Agathe einsieht, dass es mit ihrer Liebe zu Max doch nicht weit her ist, sich an ihn doch nur klammert, weil sie im zehnten Monat schwanger ist und in einer patriarchalischen Gesellschaft nicht weiß, wohin sie ansonsten noch flüchten könnte, überhaupt die Liebe zu Männern scheußlich ist, schließlich die wahre Liebe entdeckt, sich ihrer feministischen Aufklärerin dankbar an den Hals wirft, leidenschaftlich ihre Lippen auf die ihrer Befreierin drückt und so wirkliche Liebe findet. Max dagegen ein Tor, der ahnungslos, allein von einem urtümlichen Begehr nach Agathe getrieben durch eine ihm widrige Umgebung stolpert. In kaum zu überbietender Simplifizierung darf auch die Auseinandersetzung mit Gott nicht fehlen, muss ihm von Seebühne aus die Existenz abgesprochen werden, ist angesichts des gerade überstandenen 30-jährigen Krieges zu reflektieren, wo er denn da gewesen wäre, Gott, offenbar um jenen, die womöglich noch etwas von ihm halten, eine Nachhilfe, eine Lektion zu erteilen. Freilich kann der Fürst nicht einfach Landesvater sein, kaum ist der Typus alter weißer Mann auf der Bühne erschienen, stürzt er sich lüstern schlüpfrig auf Agathes Füßchen, um es zu begrabschen. Der Teufel schließlich schilt das Festspielpublikum, es stehe gewiss nicht ganz auf der Höhe der Zeit, entziehe sich der heutigen Welt, die sich dadurch auszeichne, Agathe erschossen und Max am Galgen zu sehen, es hingegen sentimental einen guten Ausgang veranlagt, Max und Agathe in Liebe vereint, unter Umständen, die ihnen nicht zuträglich waren, letztlich doch zueinander gefunden zu haben.

Dem „Freischütz“ fremd und ablehnend gegenüber stehend weiß die Bregenzer Regie dem der Oper zugrundeliegendem Geschehen nichts abzugewinnen, davor geradezu zurückschreckend, flüchtet sie sich in einen Bombast des Bühnenbildes, damit zumindest das Auge auf seine Kosten kommt, zu Klischees, von denen sie voller Berechtigung annehmen darf, dass sie gute Aufnahme finden, da sie ganz und gar eingebettet im Trend liegen, sie, wohin man in der Branche auch sieht, erfolgreich sind.

Sofern man wohlwollend gesonnen ist, dem Bregenzer Freischütz doch einen Gehalt abgewinnen möchte, darf man in diesen Umgang mit traditioneller Bühnenliteratur einen Beleg sehen, wie schwer es die Liebe von Max und Agathe nicht allein nach dem Ende des 30-jährigen Kriegs hatte, sondern auch heute hätte unter ganz anderen Einflüssen.      

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